Unsere Energiewende
Der Sommer naht. Wir erinnern uns: Im vergangenen Winter machte sich ein sogenannter US-Präsident über den Klimawandel lustig „Es schneit und friert in New York. Wir brauchen die globale Erwärmung“. Auch hierzulande bezeichnet eine sogenannte politische Partei in ihrem Wahlprogramm Kohlenstoffdioxid nicht als Schadstoff, sondern als „unverzichtbare Voraussetzung für alles Leben“. Pauschal und undifferenziert. Keine menschengemachte Klimaveränderung – alles nur ökomüsli-gemachte Fantasie! Folglich kein Problem, keine Handlungsnotwendigkeit, weiter so! So einfach geht die Welt.
Eigentlich könnte man aus fachlicher Sicht darüber nur milde lächeln. Stünde dahinter nicht eine konkrete Absicht: Möglichst lange an dem guten Geschäft mit den fossilen Energieträgern verdienen. Der Glaube an ewiges quantitatives Wachstum und schnelles Geld wird zur Religion. Die Glaubensfrage heißt: Glauben Sie an den Klimawandel? Doch Physik ist keine Religion! Genauso geistreich wäre die Frage „Glauben Sie an die Schwerkraft?“. Der Versuch, schwerelos im zweiten Stock vom Balkon zu schweben, liefert den zweifelsfreien und schmerzhaften Beweis. Und die Physik zeigt eindeutig, dass Kohlendioxid in der Atmosphäre die Wärmeabstrahlung von der Erdoberfläche ins Weltall im Infrarotbereich bremst. Für jede(n) von uns sind die zunehmenden Extremwetterlagen und der allgemeine Temperaturanstieg spürbar. Leugnen ist sinnlos geworden!
Daher hat sich die Rhetorik von Energiewendegegnern inzwischen verändert. Man bekennt sich zunächst zum Klimaschutz und dem Pariser Klimaschutzabkommen, um dann zügig zu erklären, warum eine konsequente Energiewende aber dennoch nicht möglich sei. Das alte Kostenargument „Erneuerbare Energien sind zu teuer und gerade für den ärmeren Teil der Menschen nicht bezahlbar!“ ist immer noch zu hören. Der Spruch zieht einfach nicht mehr. Denn Strom aus Photovoltaik und insbesondere aus Windkraft ist inzwischen so günstig, dass selbst die permanente Wiederholung des Arguments keinen Effekt mehr hat.
Folglich muss ein neues Argument her: „Erneuerbare Energien müssten sich endlich dem Wettbewerb stellen.“ Kein einziges Kernkraftwerk könnte im freien Wettbewerb bestehen, wenn die Betreiber vollumfänglich für alle aktuellen und künftigen Kosten aufkommen müssten. Auch der Kohleausstieg wäre längst abgeschlossen, wenn fossile Kraftwerke für ihre Klimafolgeschäden haften müssten. Neue Kohlekraftwerke sind ohnehin geradezu sensationell unwirtschaftlich. Das Kemptener AÜW leidet, wie die anderen beteiligten Stadtwerke auch, seit Jahren unter einem mittleren, einstelligen Millionenverlust jährlich aus dem Abenteuer einer Kohlekraftwerksbeteiligung im westfälischen Lünen. 100 Euro betragen die Umweltfolgekosten laut Umweltbundesamt für eine Tonne Kohlendioxid. Bis zu zehn Cent pro Kilowattstunde müssten alte Braunkohlekraftwerke berappen, um ihre Schäden zu kompensieren. In diesem völlig verzerrten Markt ausgerechnet für die Erneuerbaren Wettbewerb zu fordern, ist schon reichlich absurd.
Allen, die sich ernsthaft mit der Energiewende auseinandersetzen, ist klar, dass nur die Power-to-Gas-Technologie langfristig ausreichend Speicherpotenzial für Deutschland bietet. Hierbei werden Überschüsse von Solar- und Windkraftanlagen in erneuerbares Methan umgewandelt, das in den vorhandenen Erdgasspeichern gelagert wird. Bereits die bestehenden Speicher in Deutschland reichen aus, um die Stromversorgung über viele Wochen sicherstellen zu können. Kommt es zur berüchtigten Dunkelflaute, wird aus dem Biomethan wieder Strom erzeugt. Nicht obwohl, sondern gerade weil diese Option das Speicherproblem für die Energiewende lösen kann, wird sie von Energiewendegegnern als viel zu teuer und ineffizient bezeichnet. Der Prozess hat beträchtliche Verluste, das stimmt. Doch wer mit seinem Benzinauto unterwegs ist akzeptiert auch einen Wirkungsgrad von nur 30 Prozent. Und dass Großkraftwerke einen kümmerlichen Wirkungsgrad von weniger als 35 Prozent haben, war bislang für die Effizienzfetischisten auch kein Problem. Für die Kurzzeitspeicherung sehen ausgereifte Konzepte sowieso deutlich effizientere Speicher, vor, sodass Power-to-Gas vorwiegend für die Mittelfrist- und Langzeitspeicherung gebraucht wird. Nebenbei: Power-to-Gas ist in jedem Fall effektiver als die Wasserstofftechnologie.
Alle Gegenargumente entpuppen sich am Ende immer als hilflose Versuche, den Ausbau erneuerbarer Energien zu verhindern oder wenigstens zu verlangsamen. Nützlich allein für Unternehmen, die für die neue klimaverträgliche Welt schlecht aufgestellt sind, für Menschen, die nach dem Sankt-Florians-Prinzip keine Veränderungen durch die Energiewende vor der eigenen Haustür haben wollen oder notorische Skeptiker, die einfach prinzipiell dagegen sind. Dabei stellt der Klimawandel wahrscheinlich die größte Bedrohung für die Menschheit überhaupt dar. Ohne eine radikale Kehrtwende bei der Energieversorgung wird die globale Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahrhunderts um bis zu fünf Grad Celsius steigen. Mit unabsehbaren Folgen für menschliches Leben auf diesem Planeten.
Ernsthafter Klimaschutz bedeutet, alle verfügbaren Maßnahmen zu unterstützen. Wir brauchen eine Verdopplung des Windenergiezubaus, eine Verzehnfachung des Solarenergiezubaus, eine Verstetigung und Flexibilisierung der Biomasseverstromung, den schnellstmöglichen Abschied von der Öl- und Gasheizung sowie von Benzin- und Dieselautos und den schnellen Ausbau von Energiespeichern. Und insgesamt ein Ende der Verschwendung. Die Aufgabe ist so groß, dass kein einziger Lösungsansatz unversucht bleiben darf! Thomas Hartmann, April 2019
Text von Thomas Hartmann, Vorsitzender. Aus Renergie aktuell Mai/Juni 2019
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